AM98 – Brief an Walter Gropius
Toblach, wahrscheinlich Sonntag, 13. August 1911


Noch immer kann ich nicht zu Athem kommen! —

Ich weiß nicht, ob Du mich verstehst – ich weiß ja selber nicht – was es ist[.] –

Ich bin aus den Fugen – total[.] —

Ich suche meine Ruhe – dann erst werde ich wieder schreiben können – beruhigt — himmelblau. Dazu kommt das endlose Michbesuchen.


Ich bin[,] seit Du weg bist – wie belagert[.] –

Sie lassen nicht mich zu mir selber kommen. Ich musizire den halben Tag – und geredet wird — das Blaue vom Himmel herunter.

Heute sind Telegramm und Brief gekommen. –

Dein Brief ist himmlisch lieb[.]

Ich verdiene Deine ganze große Liebe nicht.


In mir ist so vieles wirr und unklar – ich beneide Dich um Deinen unerschütterlichen Willen – so auf ein Ziel gerichtet[.]

Liebe mich und erleichtere mir das Leben – wie Du es bisher gethan.

Ich liebe Dich —

Du Junger – Jüngling[.] –

Gute Nacht[.]


Apparat

Überlieferung

, , , .

Quellenbeschreibung

1 DBl. (3 b. S.) – Briefpapier.

Beilagen

Umschlag, , Berlin-Wilmersdorf | Nicolsburgerplatz 4. G. IV | Herrn Walter Gropius; PSt. (lt. , S. 532, Nr. 173): TOBLACH [2] | 1#.[V]III.11 – 1 | * d *; von WG mit einer 2a versehen (Zur Nummerierung von Alma Mahlers Briefumschlägen); fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an : irrtümlich „Sept 1911“.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

Antwort auf WG181 vom spätestens 11. oder 12. August 1911 (Alles das \nur/ ein Vorspiel?? das ich […] zu einer unerhörten Mutterwut in Dir steigern will, bis Dein Schoß reif \bereit/ sei für die \gottgewollte/ Saat, aus der das Kunstwerk unseres Lebens ersprießen wird): ich beneide Dich um Deinen unerschütterlichen Willen – so auf ein Ziel gerichtet. Beantwortet durch WG183 vom 15. oder 16. August 1911 (Ja – ich verstehe Dich): Ich weiß nicht, ob Du mich verstehst und WG184 vom 15. oder 16. August 1911 (Warum meiner Li[ebe] nicht wert?): Ich verdiene Deine ganze große Liebe nicht.

Datierung

Poststempel: schwer lesbare zweite Tagesziffer, wahrscheinlich „14“, Monatsziffern nicht vollständig erhalten, sehr wahrscheinlich „VIII“.

Die Schrift und Dicke der Tinte lassen vermuten, dass AM nach dem Satz das Blaue vom Himmel herunter eine Pause einlegte und den Brief erst später am Abend vor der Absendung in die Nacht hinein fortsetzte, nachdem sie die beiden erwähnten Schreiben von WG erhalten hatte (Heute sind Telegramm und Brief gekommen). Wahrscheinlich am darauffolgenden Tag, den 14. August 1911 (s. Poststempel) wurde der Brief abgeschickt und folglich am 13. August geschrieben. Der Monat August wurde aus Briefinhalt und WGs chronologischer Briefnummerierung erschlossen.

Übertragung/Mitarbeit


(Bettina Schuster)
(Pia Schumacher)


A

seit Du weg bist reiste wahrscheinlich am 7. oder 8. August 1911 von Toblach ab, s. WG179 vom kurz nach oder am 7. oder 8. August 1911.

B

wie belagert – durch Gäste.

C

musizire – s. AM97 vom 11. August 1911.

D

Telegramm – Entwurf nicht überliefert.

E

Brief – aus dem Entwurf WG181 vom spätestens 11. oder 12. August 1911.

F

ein Ziel – gemeinsames Kind.